Ein Reisebericht
Ein Wochenend-Trip nach Prag liegt eigentlich nahe: Prag ist nur wenige Zugstunden oder einen kurzen Flug von Berlin entfernt und ist – so sagt man – ein attraktives Ziel für eine Städtereise. Mein letzter Ausflug liegt einige Jahre zurück, mein Mann war noch nie dort. So war es an der Zeit, sich (wieder) einmal in der Hauptstadt der Tschechischen Republik umzuschauen. Neben einem Besuch der zahlreichen Sehenswürdigkeiten wollten wir uns auch einen Eindruck von der queeren Szene verschaffen.
Sehenswürdigkeiten
Prag war über Jahrhunderte ein multikultureller Schmelztiegel aus tschechischer und deutscher, christlicher und jüdischer Kultur. Da die Gebäudesubstanz die Weltkriege weitgehend unbeschadet überstanden hat, hat Prag noch heute eine wirklich eindrucksvolle historische Architektur vorzuweisen.
Was dazu auffiel: die Altbausubstanz ist über die letzen Jahre zumindest im Innenstadtbereich vollständig und dabei auch geschmackvoll saniert worden. Vom sozialistischen Grau ist nichts mehr übrig. Somit bietet Prag eine wirklich tolle Kulisse von historischen Wohnhäusern, Brücken, Türmen und Sakralbauten. Die Sightseeing-Highlights im Detail zu beschreiben würde hier den Rahmen allerdings sprengen.
Der Buchhändler nebenan oder Amazon* bietet da eine große Auswahl an Reiseführern. Wir hatten das Modell von Vis-A-Vis*, einer Reihe von Reiseführern, die wir für eigentlich jedes Ziel aufgrund seiner übersichtlichen Aufmachung empfehlen können.
Sehenswürdigkeiten gibt es auch über die Prager Burg und die Karlsbrücke hinaus in jedem Falle reichlich! Das hat sich inzwischen auch bis in die USA, China und Japan rumgesprochen. Die Stadt ist zumindest jetzt im Sommer knallvoll mit Touristen aus aller Welt. Außer in Venedig oder in Florenz haben wir selten größere Touristenströme gesehen – was aber nicht wirklich unangenehm war.
Essen und Trinken
Die einheimische Küche ist nichts für Vegetarier und besteht aus den Grundkomponenten Fleisch, Soße, Sättigungsbeilage – wenn es gut läuft noch ergänzt mit Sauerkraut oder einem Gemüse. Das kann man allerdings in verschiedenen Qualitäts- und Preisstufen bekommen. Über diese doch recht deftige und heftige lokale Kost hinaus haben mittlerweile aber auch eine Vielzahl internationaler Restaurants eröffnet (italienisch, japanisch, thailändisch, vietnamesisch, bis hin zu den üblichen amerikanischen Fast Food Ketten). Zudem gab es auffällig viele vegetarische und vegane Restaurants – vielleicht als Gegengewicht zur Fleisch/Knödel-Dominanz. Dem multikulturellen Berliner Sushi-Curry-Pizza-Burger-Feinschmecker dürfte es auch in Prag an nichts mangeln. All das gibt es in vielen Varianten vom Imbiss bis zum Gourmet-Restaurant.
Das tschechische Nationalgetränk ist Bier. Davon trinken die Tschechen im Schnitt über das Jahr sogar noch mehr als die Deutschen (laut Statista: 144 Liter zu 107 Liter pro Kopf und Jahr). Bier gibt es wirklich in vielen Varianten. Einige Restaurants betreiben hauseigene Mikrobrauereien. Zudem ist Bier an vielen Orten fast billiger als Wasser – einen halben Liter bekommt man oft schon für umgerechnet 1,50 oder 2 Euro. Überhaupt ist die Gastronomie in Prag immer noch deutlich billiger als in Deutschland.
Ausgehen in der schwulen Szene
Für ein Land des ehemaligen Ostblocks ist man in der Tschechischen Republik gegenüber Homosexuellen vergleichsweise aufgeschlossen. Der ILGA Report für LGBTI Menschenrechte sieht die Tschechische Republik im Mittelfeld auf Platz 29 von 49 Europäischen Ländern.
Für uns als mitunter händchenhaltendes schwules Touristen-Paar ergaben sich jedenfalls keinerlei unangenehme Situationen. Die Millionenstadt Prag hat eine relativ offene und ausdifferenzierte schwule Szene. So gibt es sowohl in der Altstadt als auch im Bezirk Vinohrady eine Reihe queerer Bars und Clubs.
Bars
Als nett haben wir den vorwiegend von Einheimischen besuchten “Klub 21” erlebt, der sich im Hinterhofkeller eines Wohnhauses befindet. Dort sitzt man an der Bar oder an Tischen und trinkt mit Freunden – was sonst – Bier. Dazu gibt es – wofür man ja auf Reisen immer dankbar ist – schnelles Gratis-W-Lan.
Auch das “Saints” ist eine nette Kellerbar, die gerne als Anlaufpunkt für in Prag lebende schwule Ausländer genutzt wird.
Die Bar “Strelec” ist gerade bei älteren und bärigen Schwulen beliebt. Um die Ecke gibt es mit “U Rudolfa” eine weitere Bar für das reifere Publikum.
Einen netten Abend haben wir im “Café Flirt Bar” in der Prager Innenstadt verbracht, das eher hipperes und touristisches Publikum anzog. Auf einem Monitor liefen unterhaltsame, schwule Musikvideos. Etwas gewöhnungsbedürftig fanden wir, dass in einigen Bars Tische reserviert und nicht frei verfügbar waren.
Tanzen
Zum Tanzen geht es dann im Bezirk Vinohrady in die Clubs TerMax und TerMix (nicht durcheinander bringen ;). Nachdem wir zu früh am TerMax waren und uns die Securitys am Einlass sagten, dass es vor Mitternacht keinen DJ und auch keine Gäste gibt, wechselten wir ins TerMix um die Ecke, was einigen Quellen zufolge ohnehin die angesagtere Variante ist. Hier tanzen schwule Männer gemischten Alters mit Schwerpunkt in den jüngeren Jahrgängen zu Eurodance-Hits der letzten drei Jahrzehnte. Die Stimmung war gut, das Bier sehr preiswert. Der Eintritt war frei.
Cruising
Neben Bars und Tanzclubs, hat Prag auch eine recht umtriebige Cruising-Szene mit mehreren Cruising-Clubs und Saunen.
Pride
Die Prague Pride findet seit 2011 statt. Der Termin für dieses Jahr (2016) ist übrigens der 8.-14. August. Weitere Informationen dazu bei: www.praguepride.cz
Szene-Guides
Gay-Maps und Szene-Guides in Englisch und zum Teil auch Deutsch liegen in den meisten queeren Locations aus und heißen “gaymap.cz” und “Gay Map by gaypride.cz”. Die gedruckten Versionen sind gut, die Online-Angebote eher nicht – bzw. sind trotz aufgedruckten URLs eigentlich nicht vorhanden.
Dahingegen hat www.praguesaints.cz hat eine gute Online-Übersicht über die Prager Szene. Auch prague4gay.com bietet einem etwas altbackenem Layout zum Trotz gute Informationen und Reviews.
Weitere Tipps
Das U-Bahn und Straßenbahnnetz ist gut ausgebaut und schnell durchschaut. Imposant sind die sehr, sehr tief gelegenen U-Bahnstationen mit endlosen und steilen Rolltreppen.
Neben Einzelfahrscheinen kann man auch Tages- oder Mehrtages-Tickets bekommen. Hier allerdings leistet man sich noch einen letzten Rest von kommunistischem Service-Verständnis: Ticket-Automaten nehmen nur Münzgeld. Nicht alle Ticketschalter (die gibt es sogar) verkaufen Tagestickets. Die 1- bzw. 3-Tages-Tickets kauft man somit am Besten bei in ausgewählten Zeitschriftenläden oder sogenannten Trafikas.
Taxis gibt es natürlich auch – allerdings wohl mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit, undurchsichtige und übertriebene Tarife zahlen zu müssen. Das Hotel-Personal hilft in der Regel mit vertrauenswürdigen Taxi-Services gerne weiter.
In Prag ist man mit Englisch sehr gut unterwegs. Wir waren aber auch überrascht, dass viele – gerade in der Gastronomie – auch gut Deutsch sprechen.
Hotels kann man hervorragend über die üblichen Portale wie booking.com oder HRS online buchen. In den genannten Gay Guides werden auch einige Gay-Ho(s)tels beworben. Wir hatten uns für ein reguläres Mittelklasse-Hotel im Bezirk Vinohrady entschieden und waren damit gut bedient.
Geld: Tschechische Kronen bekommt man an Geldautomaten oder auch in Wechselstuben. Wir haben Geldautomaten benutzt und sind damit gut gefahren.
Fazit
Prag ist in jedem Falle eine Reise wert. Man kann hier ein interessantes Sightseeing-Programm mit nettem schwulen Ausgehen kombinieren. Vielleicht ist die Szene nicht so groß, professionell und cool wie in Berlin – dafür aber durchaus sympathisch und unaufgeregt. Darüber hinaus ist Prag auch mit einem kleineren Budget gut zu bereisen und ist damit eine günstige Städtereise-Alternative zu westeuropäischen Metropolen wie Paris, London oder Rom.
Wir kommen jedenfalls gerne wieder.
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